„How bad do you want it?“

Diesen Spruch habe ich auf der Papptafel eines Zuschauers gelesen als ich gerade von der (steilen :-O) Palani Road auf den Queen K Highway während des Marathons gelaufen bin. Ich hatte hier bereits gute 12km in den Laufbeinen und mir war klar, dass da noch ein hartes Stück Arbeit vor mir liegt….
„How bad do you want it?“ – Wie sehr willst Du es? Darüber konnte ich jetzt weitere 30km nachdenken. Ich habe diese Frage einfach nicht mehr aus dem Kopf bekommen! Vier Jahre habe ich trainiert, bin jetzt an meinem unerreichbar geglaubten Traumziel angekommen und stelle mir dauernd die Frage: Wie sehr will ich es? Was habe ich in meinem bisherigen Leben so sehr gewollt wie dieses (hoffentlich bald erreichte) Finish? Genug Zeit zum Nachdenken habe ich jedenfalls während dieses langen Marathons in der Hitze auf Big Island….

„How bad do you want it?“ war die Frage für die letzten 30km, aber was war vorher schon alles passiert?

Der Tag startete früh, sehr früh um 3:30Uhr. Durch die letzten Jetlagreste war ich die vorherigen Nächte auch immer gegen 4Uhr bereits wach geworden (danach aber auch wieder eingeschlafen ;-)) 3:30Uhr fühlte sich also definitiv nicht so schlimm an wie es sich anhört!

Im Schein der Stirnlampe gab es erstmal Frühstück auf der Terrasse. Es gab den bewährten aus Deutschland mitgebrachten Porridge mit Banane und Blaubeeren, Kaffee und Toast mit Erdnussbutter und Marmelade.

Danach zog ich mir meine Wettkampfkleidung fürs Schwimmen (Renneinteiler und Swimsuit) an und schmierte schonmal alle scheuergefährdeten Stellen gut mit entsprechenden Mitteln ein. Die Wunden an den Füßen wurden nochmal versorgt und dann ging es ans „Bodymarking“: Startnummerntattoos anbringen.

Ich war jetzt soweit vorbereitet und machte mich auf zum Shuttle welches mich mit ein paar anderen Athletinnen aus der Hannes Hawaii Gruppe Richtung Pier brachte. Da der Ali’i Drive bereits wegen des Zielkanals und der Tribünen gesperrt ist, müssen die letzten Meter zu Fuß bewältigt werden.
Im Zielkanal findet nachher, sortiert nach Altersklassen, auch die Aufstellung fürs Schwimmen statt. Leider startet meine Altersklasse als letztes, 1h nach den Profis 🙁

Der Eingang zur Wechselzone für die Athletinnen ist hinter dem King Kamehameha Hotel. Zuerst werden die Tattoos kontrolliert und gegebenenfalls neu angebracht. Danach geht es weiter in die Wechselzone. Die Helfer machen schon so früh am morgen ordentlich Party und verbreiten extrem gute Laune 🙂

Mein Weg führt mich ganz ans Ende der Wechselzone zu meinem Rad. Zuerst kontrolliere ich den Luftdruck in den Reifen und pumpe mit einer der zahlreichen vom Veranstalter bereitgestellten Pumpen nochmal etwas nach. Knapp 7bar hat sich im Training bei meinem 25mm Reifen bewährt.
Ich frage mich ja bei jeder Veranstaltung bei der die Räder am Vorabend eingecheckt werden, warum es keine Pumpen vom Veranstalter gibt und gefühlt 95% der Teilnehmer am Wettkampfmorgen ihre eigene Pumpe in die Wechselzone schleppen. Beim Frankfurt City Triathlon gab es sogar einen extra Container für die unzähligen Pumpen, der dann in die Stadt transportiert wurde. Die Anschaffung einiger Pumpen ist langfristig sicherlich nachhaltiger und kostengünstiger!

Nachdem Aufpumpen der Reifen habe ich noch mein Trinksystem befüllt und meine sonstige Verpflegung sowie den Radcomputer am Bike befestigt. Material und Athletin sind race ready 🙂

Vom Radplatz ging es zum Ausgang. Dort habe ich noch meinen Morning/After Race Beutel abgegeben und bin dann nochmal in Richtung Dixis gegangen. Dort hieß es erstmal lange anstehen. Schade wenn die eh knapp bemessene Anzahl von Dixis so kurz vor dem Start dann auch noch ausgiebig von nicht Athletinnen belegt wird 🙁 Vor mir hat tatsächlich eine Starterin den Platz für ihre gesamte vierköpfige Familie frei gehalten. Den Start der Profis habe ich somit verpasst, da ich immer noch am Dixi anstand.

Nach dem Dixibesuch ging es in den Startblock. Gruppenweise wurden nun die einzelnen Altersklassen ins Wasser geschickt. Als letztes war meine Altersklasse dran. Während die letzten Athletinnen noch nicht einmal im Wasser waren sind die erste Profis bereits aus dem Wasser gestiegen.
Ich war da allerdings schon an der durch Surfer markierten Startlinie. Bzw. ich wusste gar nicht, dass dies schon die Startlinie ist. Bei der Wettkampfbesprechung hieß es, es gäbe einen Vorstartbereich an dem wir uns 8min vor dem Start aufstellen sollten. Von dort würde dann, wenn die vorherige Gruppe gestartet ist, zur eigentlichen Startlinie vorgeschwommen. Als ich realisiert habe, dass (warum auch immer) vor uns gar keine zweite Startlinie mit Surfern mehr ist, war es schon zu spät. Ich war in vorderster Reihe an der „scharfen“ Startlinie und das Rennen wurde gestartet :-O
Ich bin noch nie so dermaßen vermöbelt worden. Ich wurde geschlagen, getreten und einfach überschwommen. Leichte Panik kam auf, kurz durchatmen und dabei nach links aus dem Boxring rausschwimmen, sortieren und in etwas ruhigerem Gewässer losschwimmen.
Der Move hat mich vielleicht 2min gekostet, aber so konnte ich entspannt starten und wurde nicht mehr verprügelt. Das Rausschwimmen zu den beiden vor Anker liegenden Booten klappte sehr gut. Ich fand schnell mein Tempo und einen guten Rhythmus, die Musik in meinem Kopf passte, ich war zufrieden und konnte das schwimmen genießen.
Der Rückweg zum Pier war dann etwas anstrengender. Bei den Trainingsschwimmeinheiten hatte ich bereits die Erfahrung gemacht, dass der Rhythmus ein anderer ist. Die Strömung und die Wellen passen nicht 100% zu mir. Es passiert öfters, dass die Eintauchphase meines rechten Arms in ein Wellental trifft, das bringt mich dann gelegentlich etwas aus dem Rhythmus. Nach ein paar 100m habe ich mich darauf eingestellt und muss jetzt nur noch damit klar kommen, dass die Strömung gegen mich arbeitet und ich langsamer bin als erhofft. Insbesondere auf den letzten 200m am Pier entlang habe ich teilweise das Gefühl auf der Stelle zu schwimmen. Der Meeresgrund unter mir bestätigt leider dieses Gefühl, er bewegt sich nur sehr langsam unter mir weg. Die Strömung hier ist wirklich sehr stark!

Endlich erreiche ich die Ausstiegstreppe und die Volunteers helfen mir von der Horizontalen in die Vertikale. Mir wird sogar der Swimsuit geöffnet und schon etwas über die Schultern heruntergezogen. Ich laufe zügig zu den Duschen und lasse mich von einem Helfer komplett abduschen. Ich möchte auf keinen Fall jetzt schon eine Salzkruste auf der Haut haben. (Die Salzränder kommen schon noch früh genug ;-))
Mein Wechselbeutel wird mir direkt von einem Helfer gereicht und ich laufe ins Wechselzelt. Hier wollen mir auch alle helfen: Swimsuit ausziehen, abtrocknen, Sonnenschutz, Socken und Armlinge anziehen, für jeden Handgriff wird mir Hilfe angeboten. Ich lehne alles ab, da ich genau weiß was ich in welcher Reihenfolge erledigen will.
Ich lege ein kleines Handtuch auf den Boden auf das ich meine Füße stelle, ich ziehe den Swimsuit aus und schiebe Ärmel und Beine meines Wettkampfeinteilers etwas hoch. Ich setze mich auf einen Stuhl und trockne als erstes meine Füße und Beine ab, dann Gesicht und Arme.
Dann muss ich erstmal meine Verletzungen an den Füßen versorgen: Alte Pflaster runter, noch einmal etwas abtrocknen, Salbe drauf und neue Pflaster. Eine Helferin schaut entsetzt und wünscht mir jetzt schon Glück für den abschließenden Marathon. Sie hofft, dass insbesondere mein linker Fuß hält, aber ihr Gesichtsausdruck spricht Bände: Sie glaubt nicht wirklich, dass ich damit laufen kann.
Nachdem die Füße versorgt sind, werden Socken und Armlinge (zum kühlen) angezogen. Abschließend noch eine Ladung Sonnenschutz und etwas zusätzliche Sitzcreme, Schuhe an, Beutel an eine Helferin abgeben und mit einem Riegel im Mund zum Rad laufen. Helm auf und dann vor zum Radstart. Aufsteigen und los geht’s 🙂
Insbesondere durch die Verletzungen an den Füßen war der Wechsel wieder langsamer als ursprünglich geplant, aber lieber 5min mehr für den Wechsel brauchen als später mit Schmerzen und blutigen Füßen richtig eingehen…

Jetzt stand meine Lieblingsdisziplin an. Beding durch die letzte Startgruppe und meine eher bescheidene Schwimmperformance bin ich als eine der letzten auf die Radstrecke gegangen und musste jetzt das Feld von hinten aufrollen. Insgesamt konnte ich auf dem Rad über 1000 Plätze overall gut machen 😀
Die ersten Kilometer geht es auf einer Wendepunktstrecke durch Kailua-Kona bevor es hoch auf den Queen K Highway und Richtung Hawi geht.
Hier oben gab es dann auch nochmal ein tolles Stimmungsnest von Hannes und seiner Crew. Mein Sohn durfte mich sogar mit dem Megaphon anfeuern.

Auf dem Queen K Highway wurde es dann zuschauertechnisch eher einsam. Das zweite Hannes Stimmungsnest bei km50 bzw km135 (Wendepunktstrecke) war ein echtes Highlight. Ansonsten war ich die komplette Radstrecke mit Überholvorgängen beschäftig. Ich selbst wurde kein einziges Mal überholt 😉
Beim Überholen konnte ich teilweise absolutes Profimaterial bestaunen, schade wenn die eigene Leistungsfähigkeit das Potenzial des sündhaft teuren Materials nicht einmal ansatzweise ausreizen kann. So einen TT Boliden mit 20-25km/h im Flachen zu bewegen ist jedenfalls nicht einmal ansatzweise artgerecht. Ich konnte mit meinem Klassiker jedenfalls eine gute Leistung abliefern und bin mit meinem knapp über 30km/h liegenden Schnitt bei einer normalized Power von gerade einmal 124W (also absolut entspannter GA1 Bereich) zufrieden. Prio war es gut durchzukommen und noch genug Körner übrig zu haben um auch noch den Marathon halbwegs genießen zu können! Diese Ziel habe ich definitiv erreicht.
Während des Radparts habe ich mich wie im Training erprobt entsprechend gut verpflegt und immer gekühlt. Die dünnen weißen Armlinge waren dabei ein echter Gamechanger.
Apropos Gamechanger: Mein Abus Gamechanger TT Helm war perfekt für diesen Wettkampf. Die Aerodynamik ist erwiesener Maßen recht gut und auch die Belüftung war perfekt!
Die Leistungswerte auf dem Radcomputer habe ich nur selten beobachtet, mein gutes Körpergefühle hat völlig ausgereicht um das richtige Pacing auf dem Rad zu finden.

Die Radstrecke geht tendenziell bis Hawi bergauf. Es gibt kleinere Wellen, aber man macht schon ordentlich Höhenmeter. Auf dem Hinweg hatten wir Seitenwind. Die letzten Kilometer nach Hawi im Schlussanstieg dann Gegenwind. Zudem wird der Asphalt Richtung Hawi leider auch nicht besser.
Nach dem Wendepunkt in Hawi ging es mit Rückenwind erstmal bergab. Einziges Problem hier war der erwähnte schlechte Asphalt. Auf dem restlichen Rückweg war dann erst wieder Seitenwind, der aber immer mehr in Richtung Gegenwind drehte. Da half nur möglichst klein in der Aeroposition bleiben, wenig Angriffsfläche bieten und meditativ weiter kurbeln 😉 Und natürlich fleißig Plätze gut machen 😀

Schade war es aber auch immer wieder zu sehen wie einzelne fleißig im Windschatten lutschten oder auch andere einfache Regeln grob missachteten. Die wenigsten schauen sich um bevor sie zum überholen ausscheren, dadurch gab es einige brenzlige Situationen. Auch die Regel, dass ein Überholvorgang in 25sek abgeschlossen sein muss, scheint wenige zu interessieren. Häufig musste ich von hinten kommend darum bitten endlich fertig zu überholen und wieder einzuscheren. Teilweise wurde ich deshalb übelst beschimpft 🙁 Wenn ich den Kommentar „Fuck off, you’re not a referee!“ bekomme, ist das wenig sportlich und zeigt, dass die Regel wohl bekannt ist, aber schlichtweg ignoriert wird. Mehrmals konnte ich auch beobachten wie Überholvorgänge quasi abgebrochen wurden und sich in nicht vorhandene Lücken gequetscht wurde um dort schön im Windschatten zu fahren 🙁
So ist es nun mal bei Massenveranstaltungen. Ich halte mich trotzdem an die Wettkampfregeln und bin dafür mit meinem Gewissen im Reinen und weiß, dass ich fair gefahren bin!

Im letzten Drittel der Radstrecke waren einige meiner Mitstreiterinnen schon ordentlich angeschlagen. Viele fuhren nur noch im Basebar oder waren nur noch sehr langsam unterwegs.
Ich nutzte die kurzen Gegenanstiege um im Wiegetritt die Muskulatur etwas anders zu belasten, blieb ansonsten aber konsequent in der Aeroposition.
Bei der Rückkehr nach Kona war ich allerdings von der Hitze äußerlich schon gut gezeichnet. Die Salzränder auf meinem Einteiler zeigen wie sehr ich geschwitzt habe. Sowohl mit meiner selbstgemischten Verpflegung als auch mit zusätzlichen Salz-bzw. Elektrolyttabletten konnte ich den Verlust aber wieder gut ausgleichen. Neben der flüssigen Verpflegung gab es auf dem Rad, noch 1,5 Riegel. Ich bekomme irgendwann Hunger und muss dann was festes essen 😉 Den ersten halben Rigel gab es ja schon in der Wechselzone, den Rest irgendwann beim Fahren.
Innerlich freute ich mich auf den Marathon und fühlte mich auch noch fit genug diesen gut durchzustehen. Durch das ruhige Pacing hatte ich noch genug Reserven.

Der Wechsel vom Rad zum Laufen dauerte leider wieder (zu) lange 🙁 Ich musste beide Füße neu versorgen und konnte erst danach starten. Mir war von Anfang an klar, dass ich langsamer als in Frankfurt sein werde (auf dem Rad war ich minimal schneller als in Frankfurt gewesen), ich wollte aber auf keinen Fall überhitzen und habe deshalb eine minimal langsamer Pace angestrebt. Im späteren Marathonverlauf sollte sich das auszahlen 😉
Zur Kühlung hatte ich den Tipp einer Sportfreundin die letztes Jahr hier auf Hawaii gestartet ist (Gruß an Hannah Hartlieb :-)) befolgt und mir ein Handtuch mit auf die Laufstrecke genommen. Anders als in Frankfurt gibt es hier keine Schwämme zum kühlen, stattdessen werden einem Eiswürfel gereicht. Die Eiswürfel wollte ich lieber nicht direkt auf der Haut haben. Ich habe deshalb das Handtuch genutzt und die Eiswürfel darin eingepackt, dann eine Rolle geformt die ich mir über Schultern und Nacken im Einteiler festgeklemmt habe. Das hat super funktioniert und war wirklich angenehm. Die Eiswürfel habe ich dann auch nur in jeder zweiten oder dritten Verpflegungsstelle erneuern müssen. Dazwischen reichte es wenn ich mir Wasser in den Nacken über das Tuch geschüttet habe.
Die Armlinge vom Radfahren habe ich für den Lauf ausgezogen, sie hätten durch den fehlenden Fahrtwind eher gewärmt als gekühlt.

Auf den ersten Metern der Laufstrecke wurde ich nochmal von meinen Kindern abgeklatscht bevor es erstmal steil die Palani Road raufging, hier gingen schon die ersten :-O Ich machte kleine Schritte und bin hochgelaufen, so früh konnte ich mir mental noch kein Gehen erlauben.
Nach der Hälfte der Palani Rd geht es rechts ab und dann in einem Bogen runter zum Ali’i Drive, den man dann auf einer Wendepunktstrecke erstmal Richtung Süden läuft. Ich achte auf meine Pace und kontrolliere sie auch regelmäßig auf der Uhr, alles läuft wie geplant! Einige Mitstreiterinnen sind hier auf den ersten 12km des Marathons schon in der „Zombiephase“.
In der Wechselzone hatte ich irgendwie die Dixis verpasst, den Boxenstopp musste ich noch nachholen: Erst das fünfte Dixi war frei UND in einem halbwegs akzeptablen Zustand (Details erspare ich euch).
Erleichtert ging es danach weiter.

Auch auf Hawaii bin ich (genau wie in Frankfurt) nach der Galloway Methode gelaufen. Das Prinzip ist einfach: Man läuft den gesamten Marathon durch und legt an jeder(!) Verpflegungsstelle eine Gehpause ein. Durch die geänderte Belastung kann sich die Muskulatur etwas entspannen und man kann sich auch in Ruhe verpflegen. Wichtig bei dieser Methode ist, dass man wirklich ab der ersten Verpflegungsstelle damit anfängt (fühlt sich komisch an, da man eigentlich noch „frisch“ ist) und nicht erst dann, wenn sich die ersten muskulären Probleme einstellen. Dann ist es zu spät!
Ich bin also an jeder Verpflegungsstelle ca.20m gegangen und habe jedes mal etwas getrunken und bei Bedarf auch ab der Hälfte der Strecke mal etwas Banane oder sogar mal drei Kartoffelchips gegessen.
In der ersten Hälfte hatte ich bereits den verblieben halben Riegel vom Rad aufgegessen und so das erste aufkommende Hungergefühl bekämpft. Meine selbstgemischte Verpflegung hatte ich in einer Softflask hinten im Einteiler, habe sie aber (wie auch schon in Frankfurt) nicht genutzt. Mein Magen kann beim Laufen nicht mehr soviel aufnehmen. Ich hatte dafür aber bereits beim Radfahren viel Energie zugeführt und so beim laufen auch dieses Mal keine Energierprobleme!

Nach dem Ali’i Drive ging es den letzten Rest der Palani Road hoch zum Queen K Highway. Dann kam nach besagten 12km das Schild „How bad do you want it?“ und mich hat diese Frage nicht mehr losgelassen. Ich hatte ja genug Zeit zum Nachdenken und habe mir vieles ins Gedächtnis gerufen, was ich erreichen wollte, aber sportlich habe ich noch nie etwas so gewollt wie dieses Finish auf Hawaii. Die erste Medaille als Kind beim Judo, das erste Podium bei einem Radrennen, der erste Pokal bei einem Laufwettkampf, der erste Altersklassensieg bei einem Triathlon, alles war plötzlich sehr klein verglichen mit dem puren Finish auf Hawaii. Ich bin nicht schnell, ich bleibe ruhig, ich kontrolliere mein Pacing und so werde ich es schaffen!
Auf den verbleibenden Kilometern bis zum Energylab ging es gefühlt nur bergauf, das ist nicht nur körperlich anstrengend, sondern auch mental sehr fordernd: Man ist langsamer als geplant und darf sich nicht dazu verleiten lassen jetzt zu überpacen. Beim Abzweig zum Energylab hat man etwas mehr als den Halbmarathon in den Beinen, mental ein wichtiger Punkt: Man hat die Hälfte geschafft und muss jetzt nur noch zurück laufen…. Wenn es nur so einfach wäre! In der Realität geht es nicht wirklich zurück, sondern man entfernt sich weiter von Kona und muss ins Energylab. Für den Kopf war das nicht einfach: Es fühlt sich nicht wirklich so an als hätte man die Hälfte geschafft, man läuft weiter weg und hat im Energylab noch zwei Wendepunkte zu absolvieren bevor es wieder raus und endlich zurück nach Kona geht.
Nicht nur hier hatte ich das Gefühl, dass beim Ironman Hawaii nicht nur die Strecke aufgrund ihrer Topografie und der Temperaturen besonders hart ist, sondern dass auch ganz bewusst die Streckenführung mental fordernd geplant wurde. Ich hatte das Gefühl die Strecke wollte uns Athletinnen mental brechen!

Mein Glück im Energylab war, dass die Sonne jetzt unterging. Es wurde minimal kühler und ich hatte beim Laufen den Blick in Richtung eines phänomenalen Sonnenuntergangs 🙂 Ein Traum!
Ab dem zweiten Wendepunkt oben im Energylab war es dann stockfinster. Ich konzentrierte mich ab jetzt darauf die Füße gut zu heben und wo möglich in der Nähe einer Athletin mit Stirnlampe zu bleiben um zumindest etwas zu sehen und nicht zu stolpern.
Zur besseren Sichtbarkeit gab es Leuchtringe die man sich um den Hals legen konnte, oder wie ich es tat, einfach in der Hand hielt. Ich habe es auch am Hals probiert, der auf den Schultern hüfende Ring hat mich aber einfach nur genervt!
Prinzipiell ging es bis zum Ziel jetzt fast nur noch bergab, aber die Beine waren langsam leer und so ging es dann doch nicht so flüssig wie erhofft in Richtung Ziel. Kurz vor der Palani Rd gab es nochmal ordentlich Party und Motivation beim Hannes Hawaii Tours Stimmungsnest und dann geht es runter Richtung Ali’i Drive. Noch einmal Links, dann rechts, rechts und man ist dem Ziel ganz nah.

Es sind noch viele Zuschauer an der Strecke. Die aus den Fernsehübertragungen bekannten Bilder vom Zielkanal und der Finishline liegen plötzlich vor mir! Ich bin überglücklich es bis hierhin geschafft zu haben, anders als in Frankfurt habe ich bis zum Schluss keine Magenprobleme bekommen und konnte den kompletten Marathon durchlaufen und so laufe ich jetzt auch auf den letzten Metern über den Schwarz-Roten Teppich zum Ziel! Meine Familie feuert mich noch einmal an und dann habe ich es geschafft.
„Daniela Brink from Germany, You are an Ironman!“

Im Ziel bekomme ich erstmal meine Kette umgehangen und werde von zwei Helfern anschließend aus dem Zielbereich geleitet. Der auf meiner linken Seite hat permanent eine Hand zwischen meinen Schulterblättern, der andere läuft rechts neben mir und beobachtet mich genau. Ich bekomme etwas zu trinken. Das orangene Gatorade lehne ich dankend mit einem Lachen ab: 12h habe ich dieses Zeug getrunken, den Geschmack brauche ich erstmal nicht mehr. Es stellt sich heraus, dass der junge Mann zu meiner Linken aus Karlsruhe kommt. Wir unterhalten uns etwas und ich werde von meinen beiden Begleitern an einen anderen Volunteer übergeben. Ich mache anscheinend einen fitten und wenig hilfsbedürftigen Eindruck 😉 Wer hier nicht fit wirkte wurde von seiner Eskorte direkt ins Sanizelt gebracht, ich durfte allerdings direkt in den Athletengarten!
Als erstes bekam ich meinen AfterRace Beutel und einen zweiten Beutel mit Finishershirt, Handtuch und Kappe gereicht, dazu auch endlich meine Medaille <3

So ausgestattet ging es erstmal zur Photowall: Offizielles Finisherbild machen 😉

Lächeln ging also schon wieder 😀 Als nächstes stand Essen und Trinken an. Auch hier hatte mich Hannah im Vorfeld gewarnt: Die Zielverpflegung ist „gewöhnungsbedürftig“.

Irgendwie war es dann überraschenderweise aber genau das, was ich gerade dringend brauchte. Neben Burgern und käsegefüllten Pfannkuchen gab es noch extrem käsige Pizza, Pommes, Eis und Sushi. Beim Gedanken an Fisch hat mein Magen aber dann doch protestiert.
Das erhoffte alkoholfreie Bier fand ich leider erst als ich den Athletengarten verlassen habe. Der Stand war etwas abseits nahe das Ausgangs. Schade, davon hätte ich gerne mehr gehabt.
Meine Verpflegung konnte ich auf einer bequemen Liege mit Blick auf den Pazifik genießen. Endlich konnte ich auch mein Handy einschalten und meinen Mann anrufen. Der Plan war eigentlich, dass er zumindest meine Wechselbeutel im Auto mit zum Appartement nimmt, aber daraus wurde nichts. Die Kinder sind nach meinem Finish noch an der Finishline eingeschlafen :-O Ich wollte nicht, dass die drei jetzt noch länger auf mich warten und habe sie ins Appartement geschickt. Irgendwie werde ich es schon alleine zurück schaffen. Ich konnte jetzt auch noch nicht gehen, ich musste noch etwas mehr essen, mich ausruhen und die Atmosphäre genießen.
Irgendwann habe ich meine Liege dann an eine Athletin weitergegeben, der es offensichtlich nicht gut ging. Sie wurde bereits von zwei Helferinnen betreut und war sichtlich erleichtert sich auf die Liege legen zu können.
Ich schlenderte noch etwas rum, holte mir noch ein Eis und eine Cola und setzte mich dann noch etwas auf den Boden am Pazifik, bevor ich mich aufmachte mein Rad und meine Beutel auszuchecken.
Auf dem Weg dorthin fand ich den einsamen Athletic Brewing Tisch und machte mir endlich das wohlverdiente Finisherbier auf.

Mit Rad und drei Beuteln ging es dann raus aus der Wechselzone und erstmal zu Fuß Richtung Appartement. Ich hätte auch ein Shuttle von Hannes Hawaii Tours nutzen können, aber irgendwie war mir gerade danach mich langsam selbst auf den Weg zu machen und noch etwas meinen Gedanken nachhängen zu können….

Zuerst schob ich mein Rad und balancierte die Beutel auf dem Lenker. Als die Anzahl der Zuschauer und Fußgänger weniger wurde habe ich mich dann getraut langsam zu fahren. In stockfinsterer Nacht mit drei Beuteln zwischen den Armen auf dem Basebar kein leichtes Unterfangen 😀

Im Appartement angekommen ging es erstmal unter die Dusche und dann auf die Terrasse: Bei einem weiteren alkoholfreien Bier gemeinsam mit meinem Mann die ersten Eindrücke des Tages austauschen. Viel zu spät ging es dann ins Bett!

Recommended Posts

Ein Winter ohne Rollentraining?

Ein Winter ohne Rollentraining? Die letzten Jahre habe ich (nicht nur im Winter) aus verschiedenen Gründen regelmäßig auf der Rolle trainiert. Wenn das Wetter draußen zu kalt und/oder nass war, oder wenn ich ganz einfach das Haus nicht verlassen konnte, weil ich mit den Kindern alleine Zuhause war.Insbesondere intensive Intervalle habe ich dann in meinem […]

Dani 

Neue Ziele! Wie geht es nach Hawaii weiter?

Neue Ziele! Wie geht es nach Hawaii weiter? Zwei Wochen mit Corona auf der Couch liegen hinter mir. Zwei Wochen ohne Sport, dafür aber mit viel Zeit zum Nachdenken wie es weitergehen soll. Generell hatte ich mir abends nach dem Ironman Hawaii geschworen: Das machst du nicht nochmal!!Aber schon in den nächsten Tagen habe ich […]

Dani 

Ein steiniger Weg mit vielen Tiefpunkten (2019-22)

Ein steiniger Weg mit vielen Tiefpunkten (2019-22) So lässt sich mein Weg zur ersten Langdistanz und zur Hawaii Teilnahme wohl am besten beschreiben: Steinig und von Tiefpunkten und Rückschlägen geprägt.Ich hatte es im „About me“ schon geschrieben: Seit knapp 10 Jahren mache ich Triathlon. Ich habe viele Sprints, einige Olympische und bisher nur eine Mitteldistanz […]

Dani 

3 thoughts on “Der Wettkampf oder „How bad do you want it?“

  1. […] zum eigentlichen Thema:Der letzte Teil unseres Hawaii Abenteuers 🙁 Nach dem Zwischenstop in San Francisco ging es weiter Richtung Frankfurt. Leider hatten wir […]

  2. […] lässt sich mein Weg zur ersten Langdistanz und zur Hawaii Teilnahme wohl am besten beschreiben: Steinig und von Tiefpunkten und Rückschlägen geprägt.Ich hatte es im […]

  3. […] hatte ich mir abends nach dem Ironman Hawaii geschworen: Das machst du nicht nochmal!!Aber schon in den nächsten Tagen habe ich umgedacht: […]

Leave A Comment